Unter dem Titel „Strategien der Innenentwicklung – Lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte in kleineren Städten und Gemeinden” ist im Auftrag des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR) unter Federführung des „Urbanizers Büro für städtische Konzepte, Berlin” eine Studie mit vielen Fallbeispielen erschienen.
Die Beispiele beziehen sich auf größere Kleinstädte als St. Goar und diese scheinen auch oft über wesentlich mehr Haushaltsmittel zu verfügen. Oft kaufen die Gemeinden Gebäude wie bzw. nicht mehr rentable Hotels oder den Bahnhof und entwickeln hier interessante Projekte. Trotzdem bietet die Studie auch für St. Goar viele interessante Ansätze und zeigt auch, wie wir als Verein zur Förderung der Wirtschaft St. Goar e. V. bereits seit vielen Jahren die richtigen Ideen mit unseren Vorschlägen zum Stadtmarketing präsentiert haben.
Im Zentrum des Forschungsprojekts stand die Frage, mit welchen Strategien sich die Innenentwicklung in schrumpfenden und sich stabilisierenden Kleinstädten gezielt stärken lässt, um diese als lebendige und nutzungsgemischte Wohn- und Versorgungsstandorte zu erhalten. (S. 7)
Wir zitieren für euch aus unserer Sicht nachfolgend einige besonders interessante Aspekte aus der Studie, die auch komplett als Download zur Verfügung steht.
Oft kommt es gerade am Rande der Kommunen zu Wachstum, während die Kernstadt schrumpft oder stagniert. Ein Resultat ist dann oft der vielfach zitierte Donut-Effekt, der wiederum einen Niedergang innerstädtischer Lagen forcieren kann. (S. 11)
Das Primat der Innenentwicklung liegt auf der (Weiter-)Entwicklung bereits erschlossener Stadt- und Siedlungsräume. Die Ausweisung neuer Siedlungsflächen ist also im Sinne der Innenentwicklung möglichst zu vermeiden. (S. 13)
Um die strukturellen und inhaltlichen Rahmenbedingungen der Innenentwicklung innerhalb einer Gemeinde differenziert zu erfassen, ist die Durchführung einer „gemeinsamen Ortsbegehung“ hilfreich. Mithilfe von wechselnden Gesprächs- und Begehungsformaten können sowohl formelle als auch informelle Aspekte erfasst werden. Dies kann zum Beispiel in Form eines Spaziergangs zu interessanten Stationen im Ort geschehen. Dabei können sich unterschiedliche, zentrale Akteure der Stadtgesellschaft über ihre Wahrnehmungen und Positionen austauschen und diese in Gruppendiskussionen oder Einzelgesprächen vertiefen. Einerseits lassen sich so Potenziale und Eigenlogiken des Fallstudienorts besonders gut erkennen und andererseits strategische Handlungsoptionen erörtern. Das Format kann von einem geeigneten Mitarbeiter der Verwaltung oder aber auch durch externe Expertise moderiert werden. (S. 23)
Da ein Großteil des Bestandes in der Regel privaten Eigentümern gehört, ist es zentral, dass diese in die Innenentwicklung eingebunden werden. Oft müssen sie dazu erst einmal ausfindig gemacht und angesprochen werden. Für die Ansprache bedarf es eines klaren Entwicklungskonzepts seitens der Kommune. Dieses wird am besten im Dialog zwischen Politik und Verwaltung, Zivilgesellschaft und Wirtschaft entwickelt. Im Sinne des strategischen Arbeitens sollte ein demonstrativ offenes Klima geschaffen werden. Es unterstützt nachhaltig Ideenvielfalt und Kreativität für den Prozess. Ziel muss es sein, sich durch die Aufwertungsprozesse nicht auf einzelne Immobilien oder Grundstücke zu beschränken, sondern einen Mehrwert für die Kernstadt insgesamt zu generieren. (S. 32)
Perlesreut ergänzt dieses Engagement durch die individuelle Förderung entwicklungswilliger Eigentümer über unterschiedliche kommunal aufgelegte Programme. So können beispielsweise Sanierungs- und Gestaltungsmaßnahmen unter Berücksichtigung des Ortsbildes und denkmalpflegerischer Aspekte über ein Fassadenprogramm gefördert werden. Effektiv ist es insbesondere aufgrund seiner unkomplizierten Förderung. (S. 34) Diesen Effekt kennen wir auch bereits aus Wallmerod, ein Förderantrag auf 2 DIN A4-Seiten.
Oft reichen geringfügige finanzielle Anreize verbunden mit bürokratiearmen Abläufen als Impuls aus. Für ein solches Vorgehen ist ein offenes, das Engagement zivilgesellschaftlicher Akteure begrüßendes Klima in Kommunalpolitik und Verwaltung wichtig. (S.38) Der Klimawechsel hat hier gute Seiten.
Mitbestimmung und bürgerschaftliches Engagement sind so zu Standortfaktoren für das Leben in Altena geworden. Die zahlreichen Initiativen schaffen ein straffes Netzwerk für den Zusammenhalt vor Ort. Bis hin zur Stadtspitze genießt dieses Bottom-up-Engagement vollsten politischen Rückhalt und wird, wo es möglich ist, unterstützt. (S. 39)
Voraussetzung für die Strategie ist zunächst, dass die Kommune besondere Wohnangebote als Teil der Stadtentwicklung begreift. Insbesondere sollten Angebote jenseits des privaten Einzeleigentums gemacht werden, denn gerade dort liegt häufig ein zu wenig berücksichtigter Bedarf. Indem sie entsprechende Wohnformen strategisch initiiert und fördert, kann die Kommune gezielt wichtige Impulse für den örtlichen Wohnungsmarkt setzen. Da die Nachfrage oft „von außen“ kommt, etwa durch Menschen, die aus der Großstadt in die Kleinstadt zurückkehren. (S. 44)
Durch unabhängige Berater werden zusätzliche Informationen über die dort angebotenen Immobilien zur Verfügung gestellt (Kostenpunkt: ca. 1.000 Euro pro Objekt). Überhöhte Erwartungen der Verkäufer werden so „ausgemittelt“ und Kaufinteressenten wird eine neutrale Entscheidungsgrundlage an die Hand gegeben. (S. 46)
Der Betrieb des alten Stadthotels Pritzwalk war trotz seiner zentralen Lage im Altstadtkern nicht mehr profitabel. Auch die Entwicklung durch einen privaten Investor scheiterte. Dem Leerstand und fortschreitenden Verfall dieses prächtigen Ensembles begegnete die Kommune mit einem Ankauf des Grundstückes und einem gezielten Umbaukonzept. In ämterübergreifender Zusammenarbeit von Bauamt, Liegenschaftsamt und Bürgermeister wurden die ehemaligen Hotelgebäude zu einem neuen Wohnhof zusammengefasst und der neuen Nutzung entsprechend umgestaltet. (S. 47)
Aufgrund auch persönlicher Kontakte zwischen den gewählten Vertretern und Bürgermeistern wurde daraus im Jahr 2015 eine institutionalisierte Kooperation, die nunmehr in einen Verwaltungszusammenschluss mündet. Als Orientierung diente das Modell der Verbandsgemeinde aus Rheinland-Pfalz. (S. 51)
Die Attraktivität des Stadtkerns ist maßgeblich von der Aufenthaltsqualität seiner Straßen, Plätze, Wege, Grün- und Freiflächen abhängig. Im Zuge einer gelingenden Innenentwicklung spielen für deren Gestaltung Fragen zeitgemäßer Funktionalität und Qualität eine Rolle. … Planung sollte insoweit „offengehalten“ werden, dass Plätze, Parks und Straßen auch nach der „Fertigstellung“ durch Nutzer angesichts nicht voraussehbarer Nutzungen weiterentwickelt werden können. (S. 56)
Die kommunalen Impulse zeigen auch Wirkung in umgekehrter Richtung: Zahlreiche Einzelhändler bringen sich mit ihrer Expertise in die Innenentwicklung ein. Der von Händlern gegründete Verein „Ideenfabrik“ organisiert beispielsweise temporäre Kunstprojekte oder Veranstaltungen und setzt sich für die Verbesserung der Aufenthaltsqualität etwa durch die Finanzierung neuer Sitzbänke und Hochbeete in der zentralen Einkaufsstraße ein. Kommuniziert wird das über das Stadtmarketing und das Citymanagement. (S. 58)
Neu und immer wieder anders zu erproben sind strategische Allianzen. Eigentümer mit leer stehenden Gewerbeflächen in bevorzugter Innenstadtlage können mit Einzelhändlern jenseits der „üblichen“ Konditionen Verträge schließen. Mieten und Kündigungsfristen könnten etwa am real möglichen Umsatz orientiert werden. Das vermindert Leerstand und schafft Orte zur Nahversorgung. Auch Bürgergenossenschaften, Gewerbevereine und Sozialträger sollten aktiv bei der Einrichtung nicht profitorientierter Nahversorgungskonzepte unterstützt werden, indem ihnen die Stadt beratend zur Seite steht oder notwendige Räume kostengünstig zur Verfügung stellt. (S. 62)
Ein familiengeführter Edeka-Markt am Stadtrand erprobt zur Belebung der Innenstadt parallel die Einrichtung eines kleinen Frischemarktes. Bei der innerstädtischen Gewerbeeinheit handelt es sich um einen traditionellen Standort zum Lebensmittelverkauf. Dieser drohte leer zu stehen, als die langjährige Betreiberin ihr Geschäft ohne Nachfolge aufgab. Als Eigentümerin der Einheit fand die kommunale Wohnungsbaugesellschaft aber den lokalen Einzelhändler als Partner. Beide Seiten schlossen für die nur 300 qm große Fläche einen Mietvertrag mit kurzer Kündigungsfrist und attraktivem Mietzins. Die beiderseitige Erkenntnis, dass solcherart kleinteilige Grundversorgung mit Waren des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Nähe zum Rathaus und zur Stadtkirche hilft, das Wohnen in der Innenstadt nachhaltig zu sichern, war Voraussetzung, um den experimentellen Ansatz möglich zu machen. Ob sich der Markt für den „Zehn-Euro-Einkauf“ nach einer Etablierungsphase langfristig selbst trägt, bleibt abzuwarten. (S. 63)
Um den innerstädtischen Raum zu beleben und die Attraktivität zu sichern, kooperiert die Stadt Neustadt in Holstein eng mit dem Stadtmarketing und dem örtlichen Gewerbeverein. Gerade diese Zusammenarbeit hat sich als positiv erwiesen. Eine Zeit lang bestand zudem eine „Lenkungsgruppe Stadtmarketing“, zusammengesetzt unter anderem aus Akteuren des Einzelhandels, der Verwaltung und Kommunalpolitik. Diese begleitete unter anderem das Zukunftskonzept „Daseinsvorsorge“ und entschied vor allem inhaltlich mit über Schwerpunkte des Stadtmarketings. Solch eine Zusammenarbeit kann aber auch zu eng werden. Das passiert dann, wenn Aspekte zu schnell und für Außenstehende scheinbar intransparent entschieden werden. In Neustadt wurde die Lenkungsgruppe wieder aufgelöst. Seitdem übernimmt das Stadtmarketing eine Koordinierungsfunktion und bildet eine Schnittstelle zwischen Gewerbeverein, Verwaltung und Kommunalpolitik. (S. 65)